Buchkritik: Hardcore Java

Robert Simmons. O’Reilly. ISBN 0-596-00568-7. März 2004. 344 Seiten
Warum tut mir O’Reilly das an? Ich setze es ohne Bedenken auf Platz 1 in der Liste der Java-Bücher, die einen völlig verfehlten Titel tragen. Im Vorwort wird noch groß verkündet: „We’re talking about difficult but extremely powerful and useful programming techniques like reflection, advanced data modeling, advanced GUI design, and advanced aspects of JDO, EJB and XML-based web clients. This unique book reveals the true wizardry behind the complex and often-mysterious Java environment.“ und dann kommt nur Anfängerstoff und nix von JDO, EJB oder XML. Dafür umso mehr Kindergartenthemen: Jede Klasse ist von java.lang.Object abgeleitet, ein „if“ verträgt auch komplexe Anfragen mit ZWEI Bedingungen oder dass es einen ?-Operator gibt. Echt Hardcore! Des Weiteren deklariert Felder in umständlicher Syntax int[] AN_ARRAY = new int[] {1, 2, 3, 6, 9, 18, 36}; statt einfach nur int[] AN_ARRAY = {1, 2, 3, 6, 9, 18, 36}; Und schließlich 30 Seiten Auseinandersetzung von final. Die Namen der Color-Konstanten sind klein statt groß (gibt es „erst“ seit Java 1.4) geschrieben, und warum der Autor in dem Calendar-Beispiel ausdrücklich nach GMT fragt, ist ebenfalls sonderbar, denn für das Beispiel spielt das überhaupt keine Rolle:

private Date creationDate = Calendar.getInstance(TimeZone.getTimeZone("GMT")).getTime( );

Im nächsten Kapitel über immutable kommt natürlich der Hinweis auf String (immutable) und Point, Date, StringBuffer (nicht immutable), aber wertvolle Hinweise, etwa das immutable-Typen die Entwicklung von multitheaded-Anwendungen massiv erleichtern und immutable Objekte gut in einen Pool passen (wie einige Wrapper-Objekte in Java 5) werden unter den Teppich gekehrt. Immerhin erwähnt er die Unmodified-Wrapper. Weiter zum nächsten Hardcore-Thema, der Collection-API. Mr. Simmons schreibt: „…code is an example of a good interface-based technique:“

public class SomeClass {
HashSet someSet = new HashSet( );
protected Set someMethod( ) {
return this.someSet;
}
}

Der Objekttyp von someSet sollte wohl Set statt HashSet sein. Und warum ist in dem Beispiel die Methode gerade protected? Und someSet paketsichtbar? Da steckt vermutlich Hardcore Java Design-Erfahrung im Code. Na ja, dann hakt das Kapitel noch mal eben alle Hardcode-Collection-Klassen ab. Dass Robert fail-fast von Iteratoren erklärt, ist super, aber dann der nächste Rückschlag bei set.add(new String("p->" + element)). Was soll denn das heißen? Das nächste Kapitel heißt Exception-Handling (in welchem Java-Einführungsbuch steht das bitte schön nicht?) und der Hinweis, dass finally eine gute Stelle ist, um Datenbankverbindungen zu schließen. Das folgende Kapitel ist noch viel härter. Es geht um innere Klassen. Jetzt ist es an der Zeit, sich jeden Satz ganz genau anzuschauen und sich hoch zu konzentrieren. Radio aus, Fernseher aus, Computer aus. Weiter zum nächsten Hammerthema – Konstanten und Internationalisierung. Dass Robert auch Klammern kennt, zeigt er in Anweisungen wie dieser:

double area = (Math.pow(radius, 2) * PI);

(Wie wäre es stattdessen einfach mit radius * radius * 2? Oder wollte er ein Beispiel für größtmöglichen Rechenaufwand leisten?) Um vielleicht ungenauen Pi-Belegungen von Sun über Math.PI vorzubeugen, ist es auch sinnvoller, gleich selbst PI vorzubelegen: public static final double PI = 3.141;. Ist viel viel besser! Im Kapitel werden auch Bit-Felder vorgestellt inklusive der Bit-Operatoren. Bei den anschließenden Aufzählungen und Konstanten-Objekten baut der Autor dann erst einmal das Java 5 enum nach, bis er schlussendlich im letzten Kapitel auch zu Java 5 kommt. Dann kommt aber doch noch ein interessanter Absatz über readResolve() bei der Serialisierung. Immerhin hat Robert verstanden, dass es Klassenlader gibt: „You may think that since the constant object is final and static, this will guarantee that only one instance of each constant object will be in memory. I used to think the same thing until I was blindsided by a vicious bug in a genetic research system.“ Impressive! Im 8. Kapitel geht’s um Datenmodellierung. Kein Java-Thema und auch nur ein paar Seiten. Der Ansatz: „Unterstreiche alle Nomen und du hast Klassen, unterstreiche alle Verben und du hast Methoden“ darf auch nicht fehlen. So hat Robert sicherlich große Enterprise Systeme modelliert. Kapitel 9 hat Reflection zum Thema und etwas zum java.beans Paket. Seine Lust, an alle möglichen finalen Variablen auch final dranzuschreiben, sinkt. Kapitel 10 kommt auf Proxies zu sprechen, und dass die bei CORBA und RMI vorkommen. Nachdem ein selbstgebauter Proxy sich vorstellen darf, kommt es doch noch zu Einsatz vom InvocationHandler/Proxy. Jetzt wird es langsam interessant. Kapitel 10 spricht von schwachen Referenzen. Er implementiert ein

public class WeakHashSet extends AbstractSet implements Set

(warum steht hier implements Set?) und schreibt einen Weak-Listener. Solch ein Konstrukt ist insbesondere in Swing-Anwendungen sehr nützlich, doch hier hätte ich den Hinweis gut gefunden, dass etwa die OpenIDE, also NetBeans, hier schon etwas anbietet. Wo jetzt andere „Hardcore“-Bücher einsteigen ist seines, oh schade, schon zu Ende. Das war eigentlich das letzte Kapitel! Denn Kapitel 12 ist das Abschlusskapitel mit Java 5 und geht auf die Neuerungen ein. Doch seien wir ehrlich: Harte Nüsse wie Generics lassen wir uns viel lieber von einem echten Crack, von Joshua Bloch, in seinem Buch erklären. Dann müssen wir uns nicht Beispiele wie dieses hier anschauen:

class SomeClass<Type> {
Type value = null;
public Type getValue() {
return this.value();
}
public void setValue(final Type value) {
this.value = value;
}
}

Typvariablen sollten immer nur aus einzelnen Großbuchstaben bestehen. Bei einer Deklaration wie Type getValue() sieht sonst Type wie ein ordinären Java-Typ aus. Und warum wird value mit null initialisiert. Das ist doch klar, dass die JVM das mit null belegt. Was zeigt das Buch? Immerhin das O’Reilly den Mut hat, die schlechten Bewertungen auf der Webseite stehen zu lassen und nicht zu löschen. Meine Hochachtung. Bei Amazon sind die Bewertungen aber noch ehrlicher. Mut wird O’Reilly erst dann wirklich beweisen, wenn sie a) den Titel umformulieren, b) sich einen neuen Autor suchen, der das Buch umschreibt bzw. erweitert oder c) – die beste Option für jetzt – das Buch aus dem Sortiment nimmt. 4 Jahre nach Erscheinen wird’s Zeit dafür.

Ähnliche Beiträge

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert