16.2 Existierende Threads und neue Threads erzeugen
Die folgenden Abschnitte verdeutlichen, wie der nebenläufige Programmcode in ein Runnable verpackt und dem Thread zur Ausführung vorgelegt wird.
16.2.1 Main-Thread
Jeder Programmcode in Java läuft immer in einem Thread. Wenn die JVM startet, erzeugt sie automatisch einen Thread, der Main-Thead genannt wird. Er arbeitet die main(...)-Methode ab. Das heißt, alles, was wir in die main(...)-Methode setzen, wird von dem Main-Thread abgearbeitet. In einem Debugger lässt sich das gut nachvollziehen.
In der Regel gibt es in der Java-Umgebung noch weitere Threads, die vom System mithilfe von Bibliotheken gestartet werden. Öffnet Java ein Fenster, gibt es einen GUI-Thread, in dem Ereignisse abgearbeitet werden.
16.2.2 Wer bin ich?
In Java wird ein Thread über die Klasse java.lang.Thread repräsentiert. Er verbindet die Java-Seite mit der Betriebssystemseite.
Die Klasse Thread liefert mit der statischen Methode currentThread() die Objektreferenz für das Thread-Exemplar, das diese Anweisung gerade ausführt. Auf diese Weise lassen sich nichtstatische Thread-Methoden wie toString() verwenden.
[zB] Beispiel
Rufe toString() auf dem aktuell laufenden Thread auf:
public static void main( String[] args ) {
System.out.println( Thread.currentThread() ); // Thread[main,5,main]
}
Die String-Repräsentation besteht aus dem Thread-Namen, der Priorität und einer zugehörigen Thread-Gruppe.
Falls es in einer Schleife wiederholten Zugriff auf Thread.currentThread() gibt, sollte das Ergebnis zwischengespeichert werden, denn der Aufruf ist nicht ganz billig.
class java.lang.Thread
implements Runnable
static Thread currentThread()
Liefert den Thread, der das laufende Programmstück ausführt.
16.2.3 Die Schnittstelle Runnable implementieren
Damit der Thread weiß, was er ausführen soll, müssen wir ihm Anweisungsfolgen geben. Diese werden in einem Befehlsobjekt vom Typ Runnable verpackt und dem Thread übergeben. Wird der Thread gestartet, arbeitet er die Programmzeilen aus dem Befehlsobjekt nebenläufig zum restlichen Programmcode ab. Die funktionale Schnittstelle Runnable schreibt nur eine run()-Methode vor (siehe Abbildung 16.2).
interface java.lang.Runnable
void run()
Implementierende Klassen realisieren die Operation und setzen dort den nebenläufig auszuführenden Programmcode ein.
Wir wollen zwei Threads angeben, wobei der eine zwanzigmal das aktuelle Datum und die Uhrzeit ausgibt und der andere einfach eine Zahl:
package com.tutego.insel.thread;
public class DateCommand implements Runnable {
@Override public void run() {
Stream.generate( LocalDateTime::now ).limit( 20 ).forEach( System.out::println );
}
}
package com.tutego.insel.thread;
class CounterCommand implements Runnable {
@Override public void run() {
IntStream.range( 0, 20 ).forEach( System.out::println );
}
}
Unser nebenläufig auszuführender Programmcode in run() besteht aus einem limitierten Stream. Im ersten Fall gibt das Programm 20 aktuelle Datumswerte aus und im anderen Fall einen Schleifenzähler.
16.2.4 Thread mit Runnable starten
Nun reicht es nicht aus, einfach die run()-Methode einer Klasse direkt aufzurufen, denn dann wäre nichts nebenläufig, sondern wir würden einfach eine Methode sequenziell ausführen. Damit der Programmcode neben der eigentlichen Applikation läuft, müssen wir ein Thread-Objekt mit dem Runnable verbinden und dann den Thread explizit starten. Dazu übergeben wir dem Konstruktor der Klasse Thread eine Referenz auf das Runnable-Objekt und rufen start() auf. Nachdem start() für den Thread eine Ablaufumgebung geschaffen hat, ruft es intern selbstständig die Methode run() genau einmal auf. Läuft der Thread schon, so löst ein zweiter Aufruf der start()-Methode eine IllegalThreadStateException aus:
Thread t1 = new Thread( new DateCommand() );
t1.start();
Thread t2 = new Thread( new CounterCommand() );
t2.start();
Beim Starten des Programms erfolgt eine Ausgabe auf dem Bildschirm, die so aussehen kann:
0
1
2
3
4
5
6
7
8
2017-02-17T13:40:35.315250400
2017-02-17T13:40:35.327260600
2017-02-17T13:40:35.327260600
2017-02-17T13:40:35.327260600
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
2017-02-17T13:40:35.327260600
…
In meiner Ausgabe ist die Verzahnung der beiden Threads zu erkennen. Zwar ist innerhalb eines Threads durch die Schleife die Reihenfolge klar definiert, doch wann welcher Thread an der Reihe ist, ist dem Betriebssystem freigestellt. So sollte es auch nicht verwundern, dass die erste Zeile in meiner Ausgabe vom Zähl-Thread kommt – dem eigentlich zweiten Thread. Das zeigt deutlich den Nichtdeterminismus[ 249 ](»Nicht vorhersehbar«; bedeutet hier: Wann der Scheduler den Kontextwechsel vornimmt, ist unbekannt. ) bei Threads. Interpretiert werden kann die Ausgabe durch die unterschiedlichen Laufzeiten, die für die Datums- und Zeitausgabe nötig sind: Bei der Datumsverarbeitung sind viel mehr Objekte nötig, sie aufzubauen dauert. Aber das ist ein Internum, welches bei der Reihenfolge nicht beachtet werden darf. Wer Thread-Ergebnisse in bestimmten Reihenfolgen erwartet, muss Threads synchronisieren.
class java.lang.Thread
implements Runnable
Thread(Runnable target)
Erzeugt einen neuen Thread mit einem Runnable, das den nebenläufig auszuführenden Programmcode vorgibt.void start()
Ein neuer Thread – neben dem Thread, der die Methode aufruft – wird gestartet. Der neue Thread führt die run()-Methode nebenläufig aus. Jeder Thread kann nur einmal gestartet werden.
[+] Tipp
Wenn ein Thread im Konstruktor einer Runnable-Implementierung gestartet wird, sollte die Arbeitsweise bei der Vererbung beachtet werden. Nehmen wir an, eine Klasse leitet von einer anderen Klasse ab, und der Konstruktor der Oberklasse startet einen Thread. Bildet die Applikation ein Exemplar der Unterklasse, so werden bei der Bildung des Objekts immer erst die Konstruktoren der Oberklasse aufgerufen. Dies hat zur Folge, dass der Thread schon läuft, auch wenn das Objekt noch nicht ganz gebaut ist. Die Erzeugung ist erst abgeschlossen, wenn nach dem Aufruf der Konstruktoren der Oberklassen der eigene Konstruktor vollständig abgearbeitet wurde.
16.2.5 Runnable parametrisieren
Die run()-Methode von Runnable hat keine Parameterliste und keine Rückgabe. Daher stellt sich die Frage, wie Informationen in das Runnable hineinkommen und wieder herauskommen. Dass run() keine Parameterliste hat, ist schnell dadurch erklärt, dass ja völlig unbekannt ist, welche Parameter es überhaupt gibt.
Es zwei einfache Möglichkeiten, um innerhalb von run() auf Parameter zuzugreifen:
Implementiert eine Klasse die Schnittstelle Runnable, kann sich ein Konstruktor die Werte in internen Zuständen merken. Ruft der Thread run() auf, kann die Methode auf die Werte zurückgreifen.
Realisiert ein Lambda-Ausdruck die funktionale Schnittstelle Runnable, so kann der Rumpf auf lokale Variablen aus dem Kontext zugreifen.
Das Ablegen von Ergebnissen ist schwieriger, als man auf den ersten Blick vermutet. Das liegt an dem Problem, dass es nebenläufige Schreibzugriffe geben könnte, und daher sind Synchronsierungsmechanismen nötig. Grundsätzlich sind auch hier zwei Möglichkeiten denkbar:
Eine Runnable-Implementierung kommt zu einem Ergebnis und legt es in einem eigenen Zustand ab, der später von außen erfragt wird.
run() schreibt in nicht selbstverwalteten Speicher.
16.2.6 Die Klasse Thread erweitern
Da die Klasse Thread selbst die Schnittstelle Runnable implementiert und die run()-Methode mit leerem Programmcode bereitstellt (siehe Unicode-Zeichenkodierung), können wir auch Thread erweitern, wenn wir eigene nebenläufige Aktivitäten programmieren wollen:
public class DateThread extends Thread {
@Override public void run() {
Stream.generate( LocalDateTime::now ).limit( 20 ).forEach( System.out::println );
}
}
Dann müssen wir kein Runnable-Exemplar mehr in den Konstruktor einfügen, denn wenn unsere Klasse eine Unterklasse von Thread ist, reicht ein Aufruf der geerbten Methode start(). Danach arbeitet das Programm direkt weiter, führt also kurze Zeit später die nächste Anweisung hinter start() aus:
Thread t = new DateThread();
t.start();
new DateThread().start(); // (*)
Die (*)-Zeile zeigt, dass das Starten sehr kompakt auch ohne Zwischenspeicherung der Objektreferenz möglich ist.
class java.lang.Thread
implements Runnable
void run()
Diese Methode in Thread hat einen leeren Rumpf. Unterklassen überschreiben run(), sodass sie den nebenläufig auszuführenden Programmcode enthält.
Überschreiben von start() und Selbststarter
Die Methode start() kann von uns auch überschrieben werden, was aber nur selten sinnvoll bzw. nötig ist. Wir müssen dann darauf achten, super.start() aufzurufen, damit der Thread wirklich startet. Damit wir als Thread-Benutzer nicht erst die start()-Methode aufrufen müssen, kann sich ein Thread auch selbst starten. Der Konstruktor ruft dazu einfach die eigene start()-Methode auf:
class DateThread extends Thread {
DateThread() {
start();
}
// ... der Rest bleibt ...
}
Statt start() wurde run() aufgerufen – ja, wo laufen sie denn?
run() ist wie start() eine öffentliche Methode der Klasse Thread – Thread implementiert Runnable, daher muss die run()-Methode public sein. Ein Programmierfehler, der Anfängern schnell unterläuft, ist folgender: Statt start() rufen sie aus Versehen run() auf dem Thread auf. Was geschieht? Fast genau das Gleiche wie bei start(), aber mit dem Unterschied, dass die Objektmethode run() nicht nebenläufig zum übrigen Programm abgearbeitet wird. Der aktuelle Thread bearbeitet die run()-Methode sequenziell, bis sie zu Ende ist und die Anweisungen nach dem Aufruf an die Reihe kommen. Der Fehler fällt nicht immer direkt auf, denn die Aktionen in run() finden ja statt – nur eben nicht nebenläufig.
Erweitern von Thread oder Implementieren von Runnable?
Die beste Idee wäre, Runnable-Objekte zu bauen, die dann dem Thread übergeben werden. Befehlsobjekte dieser Art sind recht flexibel, da die einfachen Runnable-Objekte leicht übergeben und sogar von Threads aus einem Thread-Pool ausgeführt werden können. Ein Nachteil der Thread-Erweiterung ist, dass die Einfachvererbung störend sein kann; erbt eine Klasse von Thread, ist die Erweiterung schon »aufgebraucht«. Doch egal, ob eine Klasse Runnable implementiert oder Thread erweitert, eines bleibt: eine neue Klasse.