10.4 Geometrische Objekte
Die Java-Bibliothek repräsentiert geometrische Formen durch eine Schnittstelle Shape. Konkrete Formen sind etwa Linien, Polygone oder Kurven, die die Bibliothek durch konkrete Implementierungen der Schnittstelle realisiert. Für uns gibt es damit zwei Möglichkeiten, Zeichenoperationen zu tätigen: einmal, indem wir Objekte aufbauen und diese dann zeichnen lassen, und zweitens über die speziellen Zeichenmethoden von Graphics, wie die bekannten Methoden drawLine() und drawRect(). Objekte bieten den Vorteil, dass sie sich in einer Datenstruktur sammeln lassen, und die Shape-Objekte warten auch noch mit einer ganzen Reihe interessanter Methoden auf.
Beginnen wir mit einem Programm, das eine Linie als Form-Objekt zeichnet:
Listing 10.7: com/tutego/insel/ui/g2d/First2Ddemo.java, First2DDemo
class First2DDemo extends JPanel
{
@Override
protected void paintComponent( Graphics g )
{
Graphics2D g2 = (Graphics2D) g;
g2.setRenderingHint( RenderingHints.KEY_ANTIALIASING,
RenderingHints.VALUE_ANTIALIAS_ON);
g2.draw( new Line2D.Double( 10, 10, getWidth() – 10, getHeight() – 10 ) );
}
public static void main( String[] args )
{
JFrame f = new JFrame();
f.setDefaultCloseOperation( JFrame.EXIT_ON_CLOSE );
f.setSize( 200, 120 );
f.add( new First2DDemo() );
f.setVisible( true );
}
}
Die Klasse Line2D.Double definiert das Linien-Objekt, das draw() zeichnet (und fill() füllen würde). Die Methode draw(Shape), die es nur auf dem Graphics2D-Objekt und nicht bei der Basisklasse Graphics gibt, nimmt ein beliebiges Shape-Objekt und zeichnet es nach den aktuellen Einstellungen wie Muster oder Farbe. Da normalerweise die Ausgabe nicht weichgezeichnet ist, wir dies aber wünschen, setzen wir einen setRenderingHint(). Die Argumente und die Methoden werden später näher beschrieben.
Abbildung 10.9: Eine weiche Linie
abstract class java.awt.Graphics2D |
- abstract void draw(Shape s)
Zeichnet die Form im aktuellen Graphics2D-Kontext. Die Attribute umfassen Clipping, Transformation, Zeichen, Zusammensetzung und Stift-(Stroke-)Attribute.
10.4.1 Die Schnittstelle Shape
Die geometrischen Objekte, die die Schnittstelle java.awt.Shape implementieren, sind unter anderem:
- Line2D
- RectangularShape mit den Unterklassen Arc2D, Ellipse2D, Rectangle2D und RoundRectangle2D
- Polygon
- QuadCurve2D
- CubicCurve2D
Fast alle Klassen sind abstrakt, und innen liegende Unterklassen implementieren die äußere Klasse mit den Genauigkeiten float und double. Ein Beispiel für Line2D haben wir im oberen Programm First2DDemo schon aufgeführt; die öffentliche konkrete innere Klasse mit der Genauigkeit double heißt Line2D.Double.
Abbildung 10.10: Vererbungsbeziehungen der Unterklassen von Shape
Die Klassen Rectangle2D, RoundRectangle2D, Arc2D und Ellipse2D erben alle von der Klasse RectangularShape und sind dadurch Objekte, die von einer (mitunter virtuellen) rechteckigen Box umgeben sind. RectangularShape selbst ist abstrakt, gibt aber Methoden vor, die das umrahmende Rechteck verändern und abfragen.
Die Schnittstelle java.awt.Shape deklariert Operationen, die die Unterklassen passend implementieren:
- contains(): Testet, ob ein Punkt in der Form ist.
- getBounds(), getBounds2D(): Liefert den kleinsten Rahmen, der die Form vollständig enthält.
- getPathItererator(): Liefert einen PathIterator, der die äußeren Pfade entlangläuft.
- intersects(): Testet, ob ein Rechteck diese Form schneidet.
Abbildung 10.11: getBounds() am Beispiel einiger Formen
Hinweis |
Es gibt in der Java-Bibliothek zwar Klassen wie Point sowie Point2D.Float und Point2D.Double, die Point2D erweitern, aber dies sind keine Shape-Objekte und können nicht gezeichnet werden. Die Typen repräsentieren x/y-Koordinaten und finden sich nur als Parametertyp, etwa zum Aufbau von Linien, Kurven oder Gradienten. Auch für Text gibt es keine spezielle Shape-Implementierung. Um Text zu zeichnen, wird weiterhin die Methode drawString(string, x, y) verwendet, allerdings sind die Koordinaten Graphis2D-taugliche Fließkommazahlen vom Typ float. |
10.4.2 Kreisförmiges
Die Klasse java.awt.geom.Arc2D kümmert sich um Kreisbögen. Diese Bögen werden wie bei drawArc() in ein Rechteck eingepasst und haben einen Start- und Endwert. Zusätzlich kommt ein Parameter für den Typ des Bogens hinzu. Es gibt drei Typen:
- Arc2D.OPEN: eine einfache Kreislinie
- Arc2D.CHORD: Start- und Endpunkt des Bogens werden durch eine Linie verbunden.
- Arc2D.PIE: Start- und Endpunkt des Bogens werden mit dem Mittelpunkt des Kreises verbunden.
Abbildung 10.12: Die drei Kreistypen
Listing 10.8: com/tutego/insel/ui/graphics/PanelWithArc.java, paintComponent()
@Override protected void paintComponent( Graphics g )
{
Shape arc = // x, y, w, h, start, extend, type
new Arc2D.Double( 100, 100, 60, 60, 30, 120, Arc2D.PIE );
((Graphics2D)g).draw( arc );
}
10.4.3 Kurviges *
Die Klasse QuadCurve2D beschreibt quadratische Kurvensegmente. Dies sind Kurven, die durch zwei Endpunkte und durch dazwischenliegende Kontrollpunkte gegeben sind. CubicCurve2D beschreibt kubische Kurvensegmente, die durch zwei Endpunkte und zwei Kontrollpunkte definiert sind. Kubische Kurvensegmente werden auch Bézier-Kurven genannt.
10.4.4 Area und die konstruktive Flächengeometrie *
Die Klasse Area definiert eine neue Form, die sich aus der Verknüpfung anderer Formen ergibt. Die Verknüpfungen sind Addition (Vereinigung), Subtraktion, Schnitt und Xor. Eine Zipfelmütze lässt sich auf diese Weise durch ein Shape mit dreieckiger Form, vereinigt mit einem Kreis, darstellen. Die wichtigsten Methoden sind:
class java.awt.geom.Area |
- Area()
- Area(Shape s)
Baut eine neue Geometrie auf, entweder leer oder mit einer vorgegebenen Form. - void add(Area rhs)
Bildet eine Vereinigung der aktuellen Form mit der Form rhs. - void exclusiveOr(Area rhs)
Bildet eine Xor-Verknüpfung mit der Form rhs. - void intersect(Area rhs)
Bildet den Schnitt mit rhs. - void subtract(Area rhs)
Zieht von der aktuellen Form die Form rhs ab.
Abbildung 10.13: Beispiele für konstruktive Flächengeometrie mit Rechteck und Kreis
Weitere Methoden sind transform(), reset(), contains(), getBounds() und ein paar weitere. Die Verknüpfungen werden auch CAG (Constructive Area Geometry), zu Deutsch konstruktive Flächengeometrie, genannt. Bei den Signaturen der CAG-Methoden ist zu bemerken, dass der Parametertyp Area und nicht Shape ist.
10.4.5 Pfade *
Ein Pfad besteht aus zusammengesetzten Segmenten, die miteinander verbunden sind. Die Segmente bestehen nicht wie bei Polygonen ausschließlich aus Linien, sondern können auch quadratische oder kubische Kurven sein. Die Klasse GeneralPath hängt Schritt für Schritt die Segmente mit den Methoden lineTo(), curveTo(), quadTo() an und den Umriss anderer Formen mit append(). Da der Startpunkt automatisch bei (0,0) liegt, setzt move() ihn zum Start – oder auch später – um.
Beispiel |
Zeichnen einer Linie als Pfad mit der 2D-API: protected void paintComponent( Graphics g ) |
Abbildung 10.14: Klassendiagramm von Path2D
Natürlich hätten wir in diesem Fall auch ein Line2D-Objekt nehmen können. Doch dieses Beispiel zeigt einfach, wie ein Pfad aufgebaut ist. Zunächst bewegen wir den Zeichenstift mit moveTo() auf eine Position, und anschließend zeichnen wir eine Linie mit lineTo(). Ist der Pfad einmal gezogen, zeichnet draw() die Form, und fill() füllt das Objekt aus.
Um eine Kurve zu einem Punkt zu ziehen, nehmen wir quadTo() oder für Bézier-Kurven curveTo(). Die Methoden erwarten Argumente vom Typ float.
Windungsregel
Eine wichtige Eigenschaft der Pfade für gefüllte Objekte ist die Windungsregel (engl. winding rule). Diese Regel kann entweder WIND_NON_ZERO oder WIND_EVEN_ODD sein. Wenn Zeichenoperationen aus einer Form herausführen und wir uns dann wieder in der Figur befinden, sagt WIND_EVEN_ODD aus, dass dann innen und außen umgedreht wird. Wenn wir also zwei Rechtecke durch einen Pfad ineinander positionieren und der Pfad gefüllt wird, bekommt die Form in der Mitte ein Loch. Die Konstanten aus dem GeneralPath-Objekt (genauer gesagt sind sie aus der Oberklasse Path2D geerbt) werden der Methode setWindingRule() übergeben:
generalPath.setWindingRule( GeneralPath.WIND_NON_ZERO );
Windungsbeispiel
Das folgende Programm zeichnet ein blaues Rechteck mit GeneralPath.WIND_NON_ZERO und ein rotes Rechteck mit GeneralPath.WIND_EVEN_ODD. Mit der Konstanten WIND_NON_ZERO bei setWindingRule() wird das innere Rechteck mit ausgefüllt. Ausschlaggebend dafür, ob das innere Rechteck gezeichnet wird, ist die Anzahl der Schnittpunkte nach außen – »außen« heißt in diesem Fall, dass es unendlich viele Schnittpunkte gibt. Diese Regel wird aber nur dann wichtig, wenn wir mit nichtkonvexen Formen arbeiten. Solange sich die Linien nicht schneiden, ist dies kein Problem:
Listing 10.9: com/tutego/insel/ui/g2d/WindDemo.java, paintComponent()
protected void paintComponent( Graphics g )
{
Graphics2D g2 = (Graphics2D) g;
g2.setRenderingHint( RenderingHints.KEY_ANTIALIASING,
RenderingHints.VALUE_ANTIALIAS_ON);
g2.clearRect( 0, 0, getSize().width-1, getSize().height-1 );
g2.setColor( Color.YELLOW );
g2.fill( new Rectangle( 70, 70, 130, 50 ) );
GeneralPath p;
// Erstes Rechteck
p = makeRect( 100, 80, 50, 50 );
p.setWindingRule( GeneralPath.WIND_NON_ZERO );
g2.setColor( Color.BLUE );
g2.fill( p );
// Zweites Rechteck
p = makeRect( 200, 80, 50, 50 );
p.setWindingRule( GeneralPath.WIND_EVEN_ODD );
g2.setColor( Color.RED );
g2.fill( p );
}
Die eigene statische Methode makeRect() definiert den Pfad für die Rechtecke mit den Mittelpunktkoordinaten x und y. Das erste Rechteck besitzt die Breite width sowie die Höhe height, und das innere Rechteck ist halb so groß:
Listing 10.10: com/tutego/insel/ui/g2d/WindDemo.java, makeRect()
static GeneralPath makeRect( int x, int y, int width, int height )
{
GeneralPath p = new GeneralPath();
p.moveTo( x + width/2, y – height/2 );
p.lineTo( x + width/2, y + height/2 );
p.lineTo( x – width/2, y + height/2 );
p.lineTo( x – width/2, y – height/2 );
// p.closePath();
p.moveTo( x + width/4, y – height/4 );
p.lineTo( x + width/4, y + height/4 );
p.lineTo( x – width/4, y + height/4 );
p.lineTo( x – width/4, y – height/4 );
return p;
}
Mit moveTo() bewegen wir uns zum ersten Punkt. Die anschließenden lineTo()-Direktiven formen das Rechteck. Die Form muss nicht geschlossen werden, da dies mit fill() automatisch geschieht. Mit closePath() können wir jedoch noch zusätzlich schließen; wenn wir das Objekt zeichnen, ist dies selbstverständlich notwendig. Dieses Beispiel macht durch das innere Rechteck deutlich, dass die Figuren eines GeneralPath-Objekts nicht zusammenhängend sein müssen. Das innere Rechteck wird genauso gezeichnet wie das äußere.
Abbildung 10.15: Die Windungsregeln WIND_NO_ZERO und WIND_EVEN_ODD
10.4.6 Punkt in einer Form, Schnitt von Linien, Abstand Punkt/Linie *
Die unterschiedlichen Klassen für die geometrischen Formen besitzen Methoden, um zum Beispiel festzustellen, ob ein Punkt in einer Form liegt.
interface java.awt.Shape |
- boolean contains(int x, int y )
- boolean contains(Point2D p)
Liefert true, wenn der Punkt in der Form liegt. - boolean contains(int x, int y, int w, int h)
- boolean contains(Rectangle2D r)
Liefert true, wenn das beschriebene Rechteck komplett in der Form liegt.
Besonders praktisch ist die Methode contains() für Polygone.[80](Ob ein Punkt im Polygon ist, entscheidet der Gerade/Ungerade-Test (http://en.wikipedia.org/wiki/Point_in_polygon).) Sie arbeitet aber nur korrekt für Punkte innerhalb der eingeschlossenen Fläche. Bei Abfrage von Punkten, die den Eckpunkten entsprechen, kommen immer sehr willkürliche Werte heraus – und genauso bei der Abfrage, ob die Punkte auf der Linie zum Innenraum gehören oder nicht.
Die Klasse Point2D berechnet den Abstand zweier Punkte mit den Methoden:
- double distance(double PX, double PY)
- static double distance(double X1, double Y1, double X2, double Y2)
- double distance(Point2D pt)
- double distanceSq(double PX, double PY)
- static double distanceSq(double X1, double Y1, double X2, double Y2)
- double distanceSq(Point2D pt)
Verwandte Methoden zur Berechnung des Abstands eines Punktes zur Line bietet auch Line2D:
- double ptLineDist(double PX, double PY)
- static double ptLineDist(double X1, double Y1, double X2, double Y2, double PX, double PY)
- double ptLineDist(Point2D pt)
- double ptLineDistSq(double PX, double PY)
- static double ptLineDistSq(double X1, double Y1, double X2, double Y2, double PX, double PY)
- double ptLineDistSq(Point2D pt)
- double ptSegDist(double PX, double PY)
- static double ptSegDist(double X1, double Y1, double X2, double Y2, double PX, double PY)
- double ptSegDist(Point2D pt)
- double ptSegDistSq(double PX, double PY)
- static double ptSegDistSq(double X1, double Y1, double X2, double Y2, double PX, double PY)
- double ptSegDistSq(Point2D pt)
Die relativeCCW()-Methoden von Line2D können herausfinden, ob der Punkt rechts oder links einer Linie liegt. Ob sich zwei Linien schneiden, ermitteln zwei überladene Line2D-Methoden intersectsLine(). Neben der Objektmethode testet die mit acht Parametern gesegnete statische Methode linesIntersect(), ob zwei Liniensegmente sich schneiden. Zwei allgemeine intersects()-Methoden deklariert die Schnittstelle Shape, doch bei diesen Methoden aus Line2D geht es darum, ob eine Form ein Rechteck schneidet. intersectsLine() bietet auch Rectangle2D und meldet damit, ob ein Rechteck eine Linie schneidet.
Genau das Gegenteil vom Schnitt ist die Vereinigung. So legt die Methode union() von Rectangle2D zwei Rechtecke zusammen, wobei ein neues Rechteck entsteht, das die äußersten Koordinaten der beiden Ursprungsrechtecke besitzt. Die Methode outcode() ist ebenfalls interessant, da sie über eine Bit-Maske in der Rückgabe angibt, wo ein außerhalb des Rechtecks befindlicher Punkt steht, also etwa OUT_BOTTOM, OUT_LEFT, OUT_RIGHT, OUT_TOP.
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